Leben steht nicht im Widerspruch zum Sterben
Leben findet bis zum letzten Atemzug und vielleicht sogar darüber hinaus statt. Diese tröstliche und lebensbejahende Erfahrung dürfen Menschen machen, die einen Mitmenschen im letzten Lebensabschnitt und in seinem Sterben begleiten.
Die Bereitschaft, einen solchen Beistand zu leisten, ist groß. Nahestehende Angehörige möchten ihre Liebe, ihr Mitgefühl, ihre Zugehörigkeit und Dankbarkeit ausdrücken und die Beziehung jetzt erst recht aufrechterhalten. Mitmenschen aus alltäglichen Zusammenhängen, wie Arbeit, Freizeit und Nachbarschaft verstehen ihre Hilfsangebote oft als selbstverständlichen Teil eines wertschätzenden Miteinanders. Schließlich bekundet die Gesellschaft zum Beispiel durch Krankenkassenleistungen und die Bürgerbewegung Hospiz, dass Kranken und Trauernden die Solidarität der Gemeinschaft zusteht. Sie sollen nicht allein gelassen werden.
Hospizbürger (ausgebildete, ehrenamtliche Sterbebegleiter) engagieren sich in dieser Weise für Mitmenschen und eine Gesellschaft, in der der Tod nicht mehr mit einem Tabu belegt ist. Mit ihrem Engagement verbinden sie auch den Wunsch nach persönlichem Wachstum und Lernen für das eigene Leben und Sterben.
Zwischen Hilfsbereitschaft und Hilflosigkeit
Trotz der großen Hilfsbereitschaft versterben noch immer sehr viele Menschen einsam und ohne den mitmenschlichen Beistand.
Wie kommt das?
Die große Hilfsbereitschaft steht auf der einen Seite, auf der anderen die eigene Hilflosigkeit. Das Leid des anderen und sein kommender Tod lösen im Helfer zunächst eine Vielfalt von Gefühlen, Fragen, Sorgen und Ängsten aus, die das eigene Leben und Sterben betreffen. Zum Beispiel kann die eigene Endlichkeit plötzlich und intensiv wahrgenommen werden und zu einer kritischen und schmerzhaften Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben und den Wertvorstellungen führen. Auch können Erinnerungen an vorangegangene Abschiede oder verlorene Lebensträume wieder erwachen. Waren diese Verluste schmerzhaft und konnten sie nicht verarbeitet werden, kann die alte Ohnmacht den heutigen Impuls beim Abschied zu helfen lähmen.
Verunsicherung
Wenn wir uns im Angesicht des Todes in dieser Weise hilflos oder selber bedürftig fühlen, ist die Verunsicherung, wie auch der Kummer darüber, nicht angemessen helfen zu können, groß. Wir fragen uns: „Wie kann ich für den anderen da sein? Wie soll ich mich verhalten? Woran erkenne ich, welche Gesten und Worte hilfreich sind?“. Jetzt wären allgemeingültige Verhaltensregeln für den Umgang mit Todkranken und Trauernden hilfreich, die uns eine erste Orientierung geben, bis wir zu einem eigenen Umgang mit dem Abschied des Anderen gefunden haben.
Das Ziel von abschied-begleiten.de
Diese Internetseite richtet sich an Menschen, die tödlich erkrankt sind sowie ihre Angehörigen im weitesten Sinne. Wir möchten zum Wohle von Abschied nehmenden Menschen (gemeint sind Sterbende, deren nahestehenden Angehörigen und Hinterbliebene), Angehörigen, Bekannten, Nachbarn, Arbeitskollegen, ehrenamtlichen Hospizlern, professionellen Helfern und vielen mehr darin unterstützen, in die Rolle eines Begleiters und oder Helfers hinein zu wachsen, dessen oberstes Ziel die Selbstbestimmung und Lebensqualität des Betroffenen ist. Gut ausgerüstete Begleiter können dieses Ziel erreichen!
Ausrüstung
Zur Ausrüstung gehört die sachliche und persönliche Vorbereitung auf die neue Aufgabe. Nach dem Aneignen von relevanten Informationen können Helfer überlegen, welche Form der Hilfe sie vorübergehend oder dauerhaft anbieten können, ohne sich zu überfordern. Auch können sie überdenken, in welcher Weise sie sich selbst unterstützen lassen möchten. Schließlich gilt es sich zu fragen, welche eigenen Wünsche und Bedürfnisse in der Zeit der Sterbebegleitung vorhanden sein werden und wie diese befriedigt werden könnten. Wer die bevorstehende Zeit plant und aktiv gestaltet, kann am ehesten Lebensqualität und Selbstbestimmung im Blick behalten, Trost und Geborgenheit anbieten und damit stabil und verlässlich an der Seite eines Abschied nehmenden Menschen bleiben.
In diesem Sinne möchten wir unseren Lesern
- Sachinformationen anbieten, die dazu beitragen, dass Orientierung innerhalb der Hilfsangebote möglich wird. So ausgerüstet sollen klärende Gespräche mit professionellen Helfern einfacher werden und eine Entscheidungsfindung erleichtern. Gut informierte Patienten und Angehörige sind eher zur Selbstbestimmung befähigt.
- Wege aufzeigen, wie offene und wertschätzende Kommunikation gelingen kann. Soll die kostbare letzte Zeit des Abschieds selbstbestimmt gestaltet werden, müssen Wertvorstellungen und Anliegen aller Beteiligter ausgesprochen, gehört und verstanden worden sein. Nur wenn Helfer offen über ihre Grenzen und Möglichkeiten sprechen, können an diese Aufträge gezielt, also personenbezogen passend und verständlich delegiert werden.
- Mut machen die Zeit des Abschieds so zu gestalten, dass auch Lebensfreude, Verbundenheit und Liebe ausreichend Raum erhalten. Gerade angesichts der Endlichkeit können innige Momente von großer Tiefe, Schönheit und Intensität erlebt werden. Diese Erfahrungen sind Kraftquellen in schwerer Zeit, mildern das Erleben von Verlust und Trauer ab und tragen zur persönlichen Reifung bei. Denn die Zeit des Abschieds ist oft eine Zeit, in der Betroffene und Unterstützer über sich selbst hinauswachsen, an Selbstvertrauen gewinnen und erleben, dass sie aktiv ihre Lebenszeit (mit-) gestalten können. Diese trostgebende Erfahrung schützt vor Ohnmacht und verhilft zur inneren Stärke. Auch möchten wir unsere Leser ermutigen liebevoll mit sich zu sein. Sie können dies, indem sie Unvollkommenheiten in der Begleitung sich selbst und anderen verzeihen, eigene Grenzen akzeptieren und Unterstützung annehmen auch über das Ableben des Todkranken hinaus. Der Tod wiegt zu schwer, als dass wir ihn problemlos und nur auf unseren zwei Schultern tragen könnten!